2. Februar 2013 20:08
Was passiert, wenn man gar nicht reguliert?
Es geht natürlich auch ohne Regulierung (auch ohne ERP-System, Computer…usw.
), aber vieles in NAV im Lagerbereich ist dann nicht mehr sinnvoll nutzbar. Ohne Buchhaltung (Bilanz mit Gewinn-und Verlustrechnung) und Inventur (beides gesetzlich vorgeschrieben) und den jährlichen Besuch des Wirtschaftsprüfers geht es aber natürlich auch dann nicht.
Bei der Inventur zählt, misst und wiegt man die Artikel, und stimmt mit dem Wirtschaftsprüfer einen Bewertungsansatz für die Artikel ab. Das kann ein selbst berechneter Durchschnittspreis sein, der letzte Einkaufspreis, ein
“beizulegender Wert“ usw., jeweils nach dem vorgeschriebenen Niederstwertprinzip sein. Der Gesamtlagerwert wird mit dem Lagerwert der letzten Inventur verglichen. Ergibt sich dabei ein Bestandsaufbau, hat man
Ertrag (Wertezufluss), beim Bestandsabbau
Aufwand (Werteverzehr), den man dann in der
GuV (Gewinn und Verlustrechnung, in CH: Erfolgsrechnung, in GB: Profit & Loss Statement (P&L) , in US: Income Statement) des laufenden Geschäftsjahrs verbucht (das macht die Buchhaltung dann manuell, da die internen NAV-Möglichkeiten wegen der fehlenden Regulierung nicht genutzt werden können).
Damit bewegt man sich aber bewertungstechnisch auch komplett außerhalb vom NAV-Standard. Dann liefert der Lagerwertbericht "Aktuellen Lagerwert ermitteln"
Menüpunkt in NAV 2009LagerwertMenu.jpg
Menüpunkt in NAV 2016BerichteNAV2016.png
(der trotz seiner irreführenden deutschen Bezeichnung für jeden beliebigen Tag den Lagerwert ermitteln kann) auch keine verlässlichen Aussagen über den Lagerwert, sondern nur über den Lagerbestand. Die Lagerabgangsmethode am Artikel ist dann auch nur Makulatur. Die automatischen Ausgleichsbeziehungen (nach FIFO — wirksam auch beim Restmengenabbau der Artikelposten — bei allen Abgangsmethoden außer
LIFO und
Ausgewählt) werden zwar gebildet, aber von NAV nicht weiter ausgewertet. Alle Artikel werden mit dem Durchschnittseinstandspreis auf der Artikel- oder (wenn vorhanden) Lagerhaltungsdatenkarte bewertet, so wie dieser zum Buchungszeitpunkt zufällig war und dabei bleibt es dann auch. Ohne Lagerregulierung werden diese Einstandspreise aber ohnehin nicht richtig aktualisiert, eine korrekte durchgängige Lagerbewertung der Artikel erfolgt nicht. Lagerwertberichte muss man sich dann selber programmieren (Lagerwert = Lagerbestand x Bewertungspreis).
Es ist durchaus möglich, dass es Bereiche gibt, wo die Lagerregulierung mehr schadet als nützt. Das ist dann der Fall, wenn mit Sammelartikelnummern (Diversartikeln) gearbeitet wird, wo unter einer Artikelnummer u.U. extrem verschiedenwertige Artikel gebucht werden. Die Lagerregulierung hat als Grundsatz, dass wenn der Bestand auf Null ist, auch der Lagerwert genullt wird. Wenn nicht artikelgenau gearbeitet wird, kann dieses Prinzip nicht mehr funktionieren. Da ein ERP-System aber verlässliche und nachvollziehbare Aussagen über Transaktionen liefern soll, ist von solchen Verfahren ohnehin abzuraten, solange sie nicht auf Artikel beschränkt bleiben, deren Wert sich im Centbereich bewegt und die auch im Gesamtvolumen nur unwesentlich zum Gesamtlagerwert beitragen.
Zusätzlich zum Grundsatz der vorzuziehenden
Einzelbewertung (in DE
§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, in AT
§ 201 Abs. 2 Z. 3 UGB ) sind lt.
§ 256 Satz 1 HGB und
§ 240 Abs. 3, 4 HGB Bewertungsvereinfachungsverfahren zugelassen. Diese sind:
- Festbewertung
- Durchschnittsbewertung
- Verbrauchsfolgebewertung
Festbewertung Auszug HGB:
„[...] Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleichbleibenden Menge und einem gleichbleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. Jedoch ist in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen.“
Durchschnittsbewertung § 240 Abs 4 HGB:
„Gleichwertige Vermögensgegenstände [...] können jeweils in einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden.“
dabei wird unterschieden:
Gewogene Durchschnittsbewertung für das Geschäftsjahr:
Am Ende des Jahres wird aus den Anfangsbeständen und den Zugängen ein Durchschnittswert ermittelt, mit dem die Abgänge und der Endbestand bewertet werden. Dieses Verfahren könnte man bei Bedarf manuell mittels eines individuellen Reports anwenden.
Gleitende Durchschnittsbewertung:Nach jedem neuen Zugang wird ein neuer Durchschnittspreis errechnet. Dieser wird dann für die Bewertung der nächsten Abgänge angewandt. Sobald ein neuer Zugang eingeht, wird wieder ein neuer Durchschnittspreis errechnet. Das Verfahren ist auch als Wertskontration bekannt und wird von NAV genutzt, wenn Lagerabgangsmethode
Durchschnitt am Artikel eingestellt ist.
Verbrauchsfolgebewertung § 256 Satz 1 HGB
vor dem
BilMoG:
„Soweit es den
GoB entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind.“
Dies ermöglichte auch seltenere Verfahren wie
HIFO (Highest-In First Out) und
LOFO (Lowest-In First-Out). Derartige Verfahren werden und wurden von NAV nicht unterstützt.
Durch das BilMoG wurde der §256 HGB geändert:
"Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst verbraucht oder veräußert worden sind. § 240 Abs. 3 und 4 ist auch auf den Jahresabschluss anwendbar."
Dadurch sind nur noch
FIFO und
LIFO erlaubt, und beide Verfahren werden von NAV angeboten.
Die NAV-Lagerabgangsmethoden
FIFO und
LIFO dienen also zur Verbrauchsfolgebewertung,
Durchschnitt der gleitenden Durchschnittsbewertung. Alle drei sind Annahmen für den Wertefluss (engl.
Cost Flow Assumption) und sind auch als "benchmark treatment" (Regelfallbehandlung) bekannt.
Durchschnitt wird in der allgemeinen Literatur meist als vergleichsweise einfaches Verfahren und
FIFO und
LIFO als kompliziert beschrieben. Durch das Postenprinzip und die beim Buchen gebildeten Ausgleichsbeziehungen von NAV ist das aber eher umgekehrt, die Mengenfortschreibung (Mengenskontration) findet grundsätzlich automatisch statt und
FIFO und
LIFO sind in der Nachkontrolle beim Abbau einzelner
Warenlose meist einfacher nachzuvollziehen, während nach
Durchschnitt bewertete Transaktionen u.U. während des gesamten Geschäftsjahres immer wieder Wertänderungen erfahren, auch ohne dass die in der Transaktion erstellen Artikelposten direkt vom Benutzer bebucht werden.
Die Umsetzung des Bewertungsvereinfachungsverfahrens liegt hier darin, dass man nicht jedesmal gezielt den oder die Artikelposten (
in CH : Lagerposten), die aus dem Lager entnommen werden, manuell auswählen muss und NAV selbstständig die Bewertung anhand einer automatisch erzeugten Ausgleichsbeziehung (Tabelle 339 Artikelausgleichsposten) vornimmt.
Die durchgängige Einzelbewertung entspräche in NAV der Lagerabgangsmethode
Ausgewählt (in Verbindung mit einer Seriennummer) und bedeutet natürlich erheblichen zeitlichen Zusatzaufwand bei jeder Transaktion, der aber durchaus gerechtfertigt sein kann, wenn geringes Transaktionsvolumen und hoher Wert zusammenkommen (z.B. Luxusyachten, Einbauküchen u.ä.). Auch wenn nicht
Ausgewählt eingestellt ist, kann eine einzelne Transaktion durch manuelles Auswählen des Artikelpostens (im Buchungsblatt:
Ausgleich mit Lfd. Nr., in Belegen:
Ausgleich mit Artikelposten) jederzeit vorgenommen werden, wenn die Restmenge des Artikelpostens reicht, um die Bewegungsmenge zu versorgen. Hierbei übersteuert dann die Einzelbewertung das Bewertungsvereinfachungsverfahren.
Dadurch, dass die Lagerverbräuche anhand einer festgelegten Methode bewertet werden, kann natürlich auch der verbliebene Bestand bewertet und die Bestandsveränderungen ermittelt werden.
FIFO und
LIFO bedeutet, dass eine fiktive angenommene Reihenfolge im Abbau des Lagerbestands angenommen wird. Diese muss (und wird vielfach auch) nicht immer der tatsächlichen Reihenfolge entsprechen, sollte dieser aber auch nicht widersprechen.
LIFO läuft im Extremfall auf die scherzhafte Bezeichnung FISH (First-in Still-Here) hinaus, weil bewertungstechnisch die allerersten Artikelbewegungen ab der Inbetriebnahme des Systems immer noch im Bestand sind, wenn der betroffenen Artikel zwischenzeitlich nie komplett abverkauft waren.
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